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OGH: Wann eine Rechtsverfolgung als "notwendig" gilt

10.4.2024 – „„Die Kosten für die Schriftsätze und die Replik hätten vermieden werden können, wenn die Vorbringen entweder in vorangegangene Schriftsätze aufgenommen oder in folgenden Tagsatzungen vorgetragen worden wären. Und für den Kostenrekurs hätten keine ausreichenden Erfolgsaussichten bestanden, so der OGH. Der Versicherer ist leistungsfrei.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Der Rechtsvertreter von A.S. hat in einem Schadenersatzprozess drei Schriftsätze sowie in einem weiteren Prozess eine Replik und einen Kostenrekurs, dem nicht Folge gegeben wurde, verfasst. Alle diese Kosten wurden A.S. in den Prozessen nicht zugesprochen.

Von seinem Rechtsschutzversicherer fordert er nun den Ersatz der Kosten, der Versicherer lehnte eine Zahlung ab. A.S. beschritt deshalb den Klagsweg, Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage vor allem mangels zweckentsprechender Maßnahmen der Rechtsverfolgung ab.

Daraufhin wandte sich der Versicherungsnehmer in einer Revision an den Obersten Gerichtshof.

Bedingungslage

A.S. verfügt über eine Rechtsschutzversicherung, für die die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003) vereinbart sind.

Demnach übernimmt der Versicherer im Falle seiner Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruchs entstehenden Kosten, soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.

Notwendig sind Kosten laut den Bedingungen dann, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und darüber hinaus hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Was zweckentsprechend und notwendig ist

In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass jede verfahrensrechtliche Aktion dann als zweckentsprechend gilt, wenn sie zum prozessualen Ziel der Partei führen kann. Nach objektiver Beurteilung müsse die Prozesshandlung „eine Förderung des Prozesserfolges erwarten lassen“.

Notwendig sei eine Aktion dann, wenn ihr Zweck nicht mit geringerem Aufwand erreicht werden kann. Hätten kostensparende Verfahrenshandlungen zum gleichen Ergebnis geführt, könnten nur jene Kosten beansprucht werden, die denselben Zweck mit dem geringeren Aufwand erreicht hätten.

Beide Beurteilungen würden von den jeweiligen objektiven Umständen des Einzelfalls abhängen, so die Höchstrichter.

Schriftsätze waren nicht zweckmäßig

Im vorliegenden Fall sei die Zweckmäßigkeit der Schriftsätze streng zu prüfen. Für Schriftsätze, die nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, bestehe kein Ersatzanspruch.

Zum ersten umstrittenen Schriftsatz erklärt der OGH, dass dieser nur Ergänzungen enthalten habe, zu denen A.S. bereits im vorangegangenen vorbereitenden Schriftsatz Vorbringen erstattet hatte; es wäre möglich gewesen, die Ergänzungen bereits in diesen aufzunehmen oder in der darauffolgenden Verhandlung vorzutragen.

Der zweite Schriftsatz habe eine geringfügige Klageeinschränkung aufgrund der Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens enthalten. Die Kosten hätten vermieden werden können, wenn A.S. die Klageeinschränkung in der wenige Tage später anberaumten Tagsatzung vorgenommen hätte.

Den dritten Schriftsatz habe er schließlich nur fünf Tage nach einer weiteren Tagsatzung eingebracht; es wäre möglich gewesen, bereits in dieser ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten und die Urkunde vorzulegen, so der OGH.

Keine Erfolgsaussichten

Auch die Kosten für die Replik, den erfolglosen Kostenrekurs und die Kostenrekursbeantwortung des Prozessgegners in einem weiteren Prozess seien nicht notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen.

Das kurze Vorbringen in der Replik hätte A.S. entweder im vorangegangenen Schriftsatz oder in der eine Woche später anberaumten Tagsatzung erstatten können. Für den von ihm beabsichtigten Kostenrekurs habe der Versicherer die Kostendeckung abgelehnt, A.S. habe ihn dennoch erhoben.

Wenn die Vorinstanzen erklärt haben, dass für den Kostenrekurs keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestanden haben, so sei dies nicht zu beanstanden, so der OGH. Eine Notwendigkeit für den Kostenrekurs zeige A.S. nicht auf.

Der OGH hat die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob25/24p vom 6. März 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Rechtsschutz
 
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