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Ohrfeige für den Ex der Freundin: Gefahr des täglichen Lebens?

15.4.2024 – Eine Versicherungsnehmerin fordert von ihrem Haftpflichtversicherer Deckung, weil ihr Lebensgefährte ihrem Ex-Freund in alkoholisiertem Zustand eine Ohrfeige verpasst hatte, wodurch dieser stürzte und sich schwer verletzte. Der Oberste Gerichtshof entschied: In eine solche Situation gerät ein Durchschnittsmensch im normalen Lebenslauf nicht, der Versicherer ist leistungsfrei.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Beim Besuch eines Sportfestes trafen der Lebensgefährte von M.Z. und ihr Ex-Freund aufeinander; beide waren alkoholisiert. Der Ex-Freund meinte zum Lebensgefährten, er solle verschwinden. Dieser reagierte nicht darauf.

Bei einer weiteren Begegnung 15 Minuten später versetzte der Lebensgefährte dem Ex-Freund mit den Worten „Tschüss du Arschloch“ völlig unvermutet eine Ohrfeige. Der Ex-Freund stürzte und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu.

Von ihrem Haftpflichtversicherer fordert M.Z. in einer Klage Deckung für diesen Vorfall. Nachdem Erst- und Berufungsgericht die Klage abgewiesen hatten, wandte sie sich in einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Bedingungslage

M.Z. hatte einen Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, für den die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) in der Fassung 01/2015 vereinbart waren.

Demnach sollte sich die Versicherung auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens erstrecken. Mitversichert waren mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehegatten oder Lebensgefährten.

Deckung für außergewöhnliche Situationen

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der Oberste Gerichtshof einleitend auf den Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ein. Dieser umfasse nach ständiger Rechtsprechung jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss.

Weil die Gefahr, haftpflichtig zu werden im Leben eines Durchschnittsmenschen eine Ausnahme darstelle, schaffe die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell auch Deckung für außergewöhnliche Situationen, in die ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann, so der OGH.

Allerdings seien nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt. Es sei zwar nicht notwendig, dass eine solche Gefahr „geradezu täglich auftritt“, sie müsse aber im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintreten.

Auch Durchschnittsmensch kann sich falsch verhalten

Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit allein würden den daraus entspringenden Gefahren aber noch nicht die Qualität als solche des täglichen Lebens nehmen, betonen die Höchstrichter.

Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall sei ja eine Fehlleistung oder schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers.

Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch könne aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen, sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit hinreißen lassen, wobei solchen Fällen eine falsche Einschätzung der Sachlage zugrunde liege.

Entscheidungen der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig

Die Abgrenzung zwischen dem Eskalieren einer Alltagssituation, das durch eine Versicherung gedeckt ist, und einer nicht versicherten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hänge von den Umständen des Einzelfalls ab und stelle normalerweise keine erhebliche Rechtsfrage dar.

Im vorliegenden Fall sei das Verhalten des Lebensgefährten keine vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens gewesen, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebenslauf üblicherweise gerate, so der OGH.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen erwiesen sich damit als nicht korrekturbedürftig. Die außerordentliche Revision wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob21/24z vom 6. März 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Haftpflichtversicherung · Haushaltversicherung
 
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